Klimaschutzverträge – 15 Jahre Vertrag mit dem Staat: Was muss aus rechtlicher Sicht beachtet werden?

Klimaschutzverträge bieten energieintensiver Industrie einen wirksamen Absicherungsmechanismus während der Transformation der eigenen Produktionsverfahren in Richtung Klimaneutralität. Das Förderprogramm basiert auf einer vertraglichen Einigung zwischen dem antragstellenden Unternehmen sowie dem Staat. Zur Antragstellung sind die ökonomischen Berechnungsfaktoren bzw. vorgegebenen Berechnungsformeln eines Klimaschutzvertrages zu beachten. Dazu definiert der einzureichende Vertrag die rechtlichen Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit von 15 Jahren.

Zur Aufklärung der rechtlichen Hintergründe eines Klimaschutzvertrages sowie weiteren juristischen Fragestellungen freuen wir uns einen Gastbeitrag unseres Kooperationspartners RITTER GENT COLLEGEN – Rechtsanwälte mit Ihnen teilen zu dürfen.


Rückblick:

Mithilfe des neuen Fördermechanismus Klimaschutzverträge etabliert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstmalig eine innovative CAPEX- und OPEX-Förderung zur risikominimierten Errichtung von klimafreundlichen Produktionsanlagen energieintensiver Industrie. Klimaschutzverträge setzen einen Anreiz, benötigte Technologien und Infrastrukturen schon heute zu entwickeln, indem entstehende Mehrkosten des Betriebes einer klimafreundlichen Produktionsanlage über 15 Jahre ausgeglichen werden. Zur Antragsstellungen haben teilnehmende Unternehmen ein Bieterverfahren unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu durchlaufen. Weitere Informationen zu den Hintergründen der Klimaschutzverträge finden Sie in unserem letzten Beitrag: „Klimaschutzverträge – Erstes Gebotsverfahren gestartet„.


Gastbeitrag der Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN

Welche rechtlichen Pflichten geht der Antragsteller mit der Abgabe eines Gebots auf den 1. Förderaufruf zum Gebotsverfahren Klimaschutzverträge ein?

Der Antragsteller muss dem eigentlichen Förderantrag verschiedene Anlagen beifügen. Hierzu gehört auch der vollständig ausgefüllte und bereits unterzeichnete Klimaschutzvertrag (KSV) – Gleichzeitig erklärt der Antragssteller, dass er sich an das im Antrag enthaltene Angebot auf den Abschluss des ausgefüllten KSV für 6 Monate nach Ablauf der Einreichungsfrist gebunden hält. Der Antragssteller kann das einmal abgegebene Angebot also nur bis zum Ablauf der Einreichungsfrist zurücknehmen. Anschließend ist er für 6 Monate an sein Angebot gebunden. Erteilt die Bewilligungsbehörde dem Antragssteller in dieser Zeit den Zuschlag und nimmt damit das Angebot des Antragsstellers an, kommt der KSV ohne weiteres Zutun des Antragsstellers zu Stande. Damit greifen auch alle dort formulierten Verpflichtungen automatisch. Dazu gehören auf Basis des Muster-KSV grundsätzlich:

  1. Vorhabenbeginn spätestens 36 Monate nach Bestandskraft des Zuwendungsbescheids,
  2. Umsetzung des Vorhabens wie in den Antragsunterlagen beschrieben,
  3. relative Treibhausgasemissionsminderung ggü. dem Referenzsystem von mind. 60 % ab dem 3. vollständigen Kalenderjahr während der Laufzeit des KSV und von mind. 90 % ab Beginn des letzten Kalenderjahres (letzte 12 Monate),
  4. ab dem 6. vollständigen Kalenderjahr darf die geplante relative Treibhausgasemissionsminderung aus dem 5. vollständigen Kalenderjahr nicht mehr unterschritten werden,
  5. Reduzierung der Produktion in vom Zuwendungsempfänger betriebenen konventionellen Referenzanlagen während der Laufzeit des KSV um mind. 90 % der Produktionskapazität der geförderten Anlage,
  6. Betrieb der geförderten Anlage während der Vertragslaufzeit (d.h. die geförderte Anlage darf während der Vertragslaufzeit grundsätzlich nicht bzw. nur im Einzelfall auf begründeten Antrag und mit Zustimmung der Bewilligungsbehörde stillgelegt werden),
  7. Überschussauszahlungen an den Staat bei negativer Differenz zwischen Basis-Vertragspreis und CO2-Preis,
  8. Erfüllung von Mitteilungs-, Nachweis- und Mitwirkungspflichten,
  9. u.a.

Auch die weiteren mit dem Antrag einzureichenden Anlagen enthalten rechtlich langfristig wirkende Verpflichtungen: So sind beispielsweise Nachweise über eine Sicherheit für mögliche Zahlungsverpflichtungen aus dem KSV (Bankgarantien oder Bankbürgschaften) und eine Betriebsvereinbarung oder gleichwertige Erklärung zur Beschäftigungssicherung beizufügen (nicht abschließend).

Welche Konsequenzen hat der Antragsteller bei Vertragsbruch bzw. Abweichung zu erwarten?

Abweichungen von den mit der Antragsstellung und Zuschlagserteilung im KSV festgelegten Vertragsbedingungen sind während der Vertragslaufzeit grundsätzlich nicht bzw. nur in Ausnahmefällen für im KSV ausdrücklich benannte Punkte und auch dann nur in sehr engen Grenzen zulässig. In den meisten Fällen setzt eine Abweichung, wenn sie sanktionslos bleiben soll, neben einem fristgerechten Antrag des Zuwendungsempfängers hierauf und einer ausdrücklichen Zustimmung der Bewilligungsbehörde (und ggf. weiterer Gremien) v.a. voraus, dass die Abweichung sich entweder klimapositiv auswirkt oder vom Zuwendungsempfänger weder zu vermeiden noch zu vertreten ist (beispielsweise bei höherer Gewalt). Die möglichen Anwendungsfälle sind also beschränkt. Denkbar ist ein Fall höherer Gewalt beispielsweise, wenn notwendige Infrastruktur trotz entsprechender Bemühungen des Antragsstellers nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

Wird ohne die erforderliche Zustimmung vom KSV abgewichen oder werden vertraglich geschuldete Nachweis- oder Mitwirkungspflichten (insbesondere zu den o.g. Punkten) während der Vertragslaufzeit trotz Abmahnung nicht erfüllt, drohen abhängig von der Art und Häufigkeit des Verstoßes teils empfindliche Sanktionen wie beispielsweise (je nach Schwere des Verstoßes auch kumulativ):

  1. Aussetzung der Zuwendungen (in einem Kalenderjahr oder für die Restlaufzeit des Vertrages)
  2. Aufhebung des Zuwendungsbescheides (je nach Verstoß auch mit Wirkung für die Vergangenheit),
  3. Kündigung des KSV,
  4. Vertragsstrafe (in der Regel 0,1 % der max. Gesamtfördersumme pro Pflichtverletzung, ggf. höher),
  5. Rückforderung/-erstattung erhaltener Zuwendungen zzgl. Verzugszinsen (ab Gewährung),
  6. Veröffentlichung von Fehlverhalten,
  7. u.a.

Im schlimmsten Fall, wenn der Zuwendungsempfänger den KSV beispielsweise – ohne einen entsprechend begründeten Antrag bei der Bewilligungsbehörde zu stellen – „schlicht“ nicht erfüllt, droht ihm insbesondere die Kündigung des KSV und die Aufhebung des Zuwendungsbescheides für die Vergangenheit. Dies hätte zum einen zur Folge, dass die bereits gewährte Förderung zzgl. jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zurückzuzahlen wäre. Darüber hinaus fielen aber auch Vertragsstrafen an (begrenzt lediglich auf die im Zuwendungsbescheid bewilligte maximale Fördersumme). Sollte ein darüber hinaus gehender Schaden entstanden sein, sind auch Schadensersatzansprüche denkbar (des Staates, nicht berücksichtigter Konkurrenten im Gebotsverfahren u.a.).

Wohlgemerkt: Zu einer Zahlungsverpflichtung des Zuwendungsempfängers kann es im Rahmen der sog. „Überschusszahlungen“ auch ohne jeden Pflichtverstoß kommen, wenn das transformative Verfahren preissetzend wird, also auch wenn alles läuft wie geplant. Dabei können die an den Staat zu leistenden Überschusszahlungen ausdrücklich auch die bis dahin erhaltenen Fördersummen überschreiten. Immerhin sieht der Muster-KSV aber nun die Möglichkeit vor, die Zahlungsverpflichtung (nach einer gewissen Zeit) auf Antrag aussetzen zu lassen. Ganz entgehen kann man der Zahlungsverpflichtung aber auch dann nicht. Bis zu 4 Jahre müssen Überschusszahlungen auch bei entsprechender Antragsstellung bezahlt werden.

Welche Risiken lassen sich auf Dritte abwälzen bzw. sich mit Dritten teilen?

Ganz grundsätzlich sollte man bei dem Abschluss von Verträgen, die das Vorhaben betreffen, auch immer die geplante Beihilfe aus den KSV im Blick behalten. Z.B. sollte man Dienstleister und Werkunternehmer bei der Beauftragung verpflichten, die vom KSV vorgegebenen Fristen (mit ausreichend Puffer!) einzuhalten und die Produkte bzw. Dienstleistungen „KSV-konform“ zu liefern. Das betrifft u.a. die Vorgabe aus der Förderrichtlinie KSV, dass mindestens die besten verfügbaren Techniken im Sinne der Richtlinie 2010/75/EU17 („BVT“) einzusetzen sind und bei denen sichergestellt ist, dass die Emissionswerte des Vorhabens nicht über Werten liegen, die aus dem Einsatz der BVT in dem Vorhaben resultieren würden (nicht abschließend). Dabei sollte die Einhaltung der Anforderungen des KSV sowohl als Vertragsziel festgehalten werden (beispielsweise in der Präambel) und der Dienstleister/Werkunternehmer konkret zur Einhaltung verpflichtet werden. Zusätzlich kann versucht werden, eine – idealerweise verschuldensunabhängige – Vertragsstrafe zu vereinbaren, um das Risiko aus den KSV abzupuffern.

Aber Achtung: Vor Antragsstellung darf keine nicht mehr auflösbare Verpflichtung eingegangen werden. Nach der Förderrichtlinie würde dies bereits als Vorhabenbeginn gewertet, der zum Ausschluss vom Gebotsverfahren führt.

Zusätzlich kann es sein, dass ein einzelnes Unternehmen die Grundvoraussetzungen zur Teilnahme am Gebotsverfahren nicht erfüllt, beispielsweise weil das Vorhaben eine Mindestgröße der absoluten durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen im Referenzsystem
von durchschnittlich 10 kt CO2-Äquivalente pro Kalenderjahr nicht erreicht. Dann ist es unter weiteren Voraussetzungen (u.a. technologischer Verbund der Herstellungsprozesse des/der förderfähigen Produkte) zulässig, die Anforderungen im Konsortium zu erfüllen und ein gemeinsames Gebot (über einen Konsortialführer) abzugeben. Das kann ein erheblicher Vorteil sein, weil einzelne Unternehmen bzw. kleinere Anlagen sonst von dem Förderinstrument der Klimaschutzverträge ausgeschlossen wären.

Es ist jedoch Vorsicht bei der Wahl seiner Mitstreiter geboten bzw. sollte einige Sorgfalt auf die Vereinbarung der Regelungen im Innenverhältnis unter den Konsortialmitgliedern verwandt werden. Denn anders als man es möglicherweise zunächst vermuten mag, führt die Bildung eines Konsortiums grundsätzlich nur zu der oben beschriebenen Aufgabenteilung, nicht aber in jedem Fall zu einer Risikominderung. Die Mitglieder eines Konsortiums übernehmen vielmehr gesamtschuldnerisch die Haftung für die Erfüllung der mit dem KSV vereinbarten Pflichten – für die gesamten 15 Jahre der Vertragslaufzeit (zzgl. der Zeit bis zum Vorhabenbeginn)! Das gilt grundsätzlich auch für mögliche Vertragsverletzungen eines Mitglieds. D.h. die Bewilligungsbehörde kann die Erfüllung von jedem Einzelnen (in vollem Umfang / voller Höhe) verlangen. Der in Anspruch Genommene muss dieser Verpflichtung zunächst nachkommen und
kann anschließend nur versuchen, sich die jeweiligen Kosten anteilig (auf Basis der Regelung im Innenverhältnis) erstatten zu lassen.

Was bedeutet der Begriff Mustervertrag? Welche Vertragsbestandteile können individuell gestaltet werden und gibt es schon Empfehlungen?

Die Bewilligungsbehörde hat vier Muster des Klimaschutzvertrages (ein Zuwendungsempfänger / Konsortium, mit / ohne konventionelle Referenzanlage) veröffentlicht. Um Muster handelt es sich insoweit als der Antragsteller das jeweils passende Muster vollständig auszufüllen und zusammen mit dem Antrag einzureichen hat.
Anpassungen des Muster-KSV sind grundsätzlich nur in den von der Bewilligungsbehörde im Muster-KSV entsprechend gekennzeichneten Eingabefeldern zulässig (also beispielsweise zur Angabe der Unternehmens- und Antragsdaten, Bezeichnung des Vorhabens und Referenzsystems und zum Gebotspreis). Die Bewilligungsbehörde kann zudem im Fall der Zuschlagserteilung an den gekennzeichneten Stellen Ergänzungen vornehmen (Datum Erlass etc.).

Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit sind im Übrigen Abweichungen vom Muster-KSV grundsätzlich nicht vorgesehen, sondern können im Einzelfall nur zugelassen werden, „soweit Besonderheiten des Zuwendungsempfängers dies zwingend erfordern.“

Welche Fälle und Passagen hiervon erfasst sind, erläutert das BMWK bislang nicht. Die Formulierung in der Förderrichtlinie legt jedoch nahe, dass eine weitreichende Überarbeitung des Muster-KSV grundsätzlich nicht möglich sein wird. Es werden lediglich einzelne Teile des Vertrages individuell angepasst werden können, wo dies beispielsweise wegen der Besonderheiten des Vorhabens oder technischer Rahmenbedingungen zwingend geboten ist.

RITTER GENT COLLEGEN Praxistipp:

Es wird die Möglichkeit eröffnet, der Bewilligungsbehörde bis zum 13. Juni 2024 das vorläufig ausgefüllte und gegebenenfalls „angepasste“ Muster des KSV zur unverbindlichen Prüfung zuzusenden (Achtung: ohne Basis-Vertragspreis!). Die Bewilligungsbehörde würde dem Antragsteller dann spätestens eine Woche vor dem Ende der materiellen Ausschlussfrist ihre Einschätzung zu den vorgeschlagenen Anpassungen mitteilen.

Hier sollte aber konkret das Szenario mitgedacht werden, dass das Gebot mit den Anpassungen am Muster-KSV nicht zugelassen wird. Für diesen Fall muss sich der Antragssteller bereits jetzt überlegen, wie es dann weitergeht. Denn er muss dann kurzfristig – ggf. eine Woche vor Ende der Einreichungsfrist – in der Lage sein, entscheiden zu können, ob die Ablehnung der Anpassung dazu führt, dass kein Angebot abgegeben werden soll oder ob es technisch umsetzbar ist und sich aus unternehmerischer Sicht lohnt, ein Gebot ohne die Anpassungen abzugeben.

Bei rechtlichen Fragen steht Ihnen unsere Kooperationspartnerin und Verfasserin dieses Gastbeitrages Rechtsanwältin Yvonne Hanke – RITTER GENT COLLEGEN zur Verfügung.


Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne direkt zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an.

GALLEHR+PARTNER® ist seit 2007 der erfahrene Lotse für die Wirtschaft auf dem Weg zur CO₂-Neutralität. Zu dem Kundenstamm von GALLEHR+PARTNER® gehört eine Vielzahl national und international renommierter Unternehmen. Diese berät und unterstützen wir teilweise bis zur vollständigen eigenverantwortlichen Übernahme relevanter Prozesse.