Der Chemiestandard zur Product Carbon Footprint nach TfS

Der TÜV geprüfte Leitfaden von Together for Sustainability (TfS) wurde im November 2022 veröffentlicht und soll Unternehmen die Erstellung eines Product Carbon Footprints (PCF) erleichtern.

Bisherige Methode zur Erstellung eines Product Carbon Footprint

Der Kohlenstofffußabdruck eines Unternehmens ist sehr komplex und die Anforderungen an die Berichterstattung somit hoch. Das Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protocol) gab bisher einen global standardisierten Rahmen für die Protokollierung und Berechnung von Treibhausgasemissionen. Im Fokus steht das Treibhausgas CO2. Laut dem Umweltbundesamt beträgt das Kohlenstoffdioxid knapp 90% aller Treibhausgasemissionen und ist somit das bedeutendste aller Treibhausgase (THG).

Das GHG-Protocol besteht aus zahlreichen Veröffentlichungen, die Anleitungen zu allen Bereichen der Emissionsanalytik enthalten. Es beinhaltet Definitionen für Einordnungen in Kategorien, Optionen zur Emissionsermittlung, -verarbeitung und -berechnung. Diese Verbreitung notwendigen Wissens zur Treibhausgasanalytik ist für Unternehmen essenziel, um ihrer globalen Verantwortung zur Emissionsreduktion gerecht zu werden.

Das GHG-Protocol beinhaltet Anleitungen für sämtliche Sektoren und Unternehmensstrukturen. Deshalb werden verschiedene Handlungsoptionen aufgezeigt aus denen Unternehmen auswählen können. Dies hat dazu geführt, dass Unsicherheiten entstehen, welche Optionen schlussendlich adaptiert werden sollen. An anderen Stellen fehlen Ergänzungen, die Unternehmen ebenfalls in Unsicherheiten führt, wie sie berichten sollen.

Der PCF nach TfS

Together for Sustainability hat mit seinem Leitfaden nun Spezifizierungen für die Chemieindustrie generiert, wie ein PCF erstellt werden soll. Der Leitfaden bezieht sich auf das bereits bestehende GHG-Protocol und den 14000er ISO-Standards und erweitert diese. Zu diesen wird teilweise verwiesen, ergänzend Stellung bezogen oder eine Erklärung mit Fallbeispielen angefügt. TfS führt erstmals Spezifikationen für den Einbezug von Carbon Capture and Utilization (CCU) und Carbon Capture and Storage (CCS) ein. Besonderes Augenmerk wird auf die in der Chemiebranche komplexe Protokollierung von gekauften Waren (Scope 3.1) gelegt.

Das Ziel ist die Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette, was nur durch ein Zusammenwirken aller Beteiligten möglich ist. Besonderer Fokus wird der Erreichung von Vereinheitlichungen und Transparenz gewidmet. Einheitliche Anforderungen erleichtern Unternehmen die Entscheidungsfindung und bewirken eine bessere Vergleichbarkeit. Transparenz wird in allen Bereichen gefordert und ist in der sich stark unterscheidenden Chemiebranche essenziell für die Wissensverbreitung und Vereinheitlichungen. Analysen basieren auf den Daten von Zulieferern. Es wird dazu aufgerufen Zulieferer zu einer normkonformen Berichterstattung zu bewegen und sie hierbei zu unterstützen. Nur so kann eine Korrektheit der Berichte erreicht werden und die Verwendung von ungenauen Schätzungen vermieden werden.

Prinzipien der Berichterstattung

Relevanz: Bei der Erhebung von jeglichen Aktivitäten, Daten und deren Quellen sollte stets überprüft werden, ob und mit welcher Relevanz sie benötigt werden.

Vollständigkeit: Damit der PCF die tatsächliche Emissionsaktivität eines Unternehmens widerspiegelt ist es wichtig, dass die Angaben auf eine Vollständigkeit abzielen. Lücken sollten begründet mitaufgenommen und deren mögliche Auswirkungen beschrieben werden.

Konsistenz: Um eine Vergleichbarkeit zwischen PCFs aus verschiedenen Jahren zu gewährleisten ist eine konsistente Bilanzierung notwendig. Änderungen bedürfen einer Dokumentation, Rechtfertigung und können zu der Notwendigkeit einer Neuberechnung des Basisjahres führen.

Transparenz: Jegliche Informationen zu Prozessen, Verfahren, Annahmen und Beschränkungen des Inventars sollten klar, sachlich, neutral und nachvollziehbar offengelegt werden.

Exaktheit: Um Rückschlüsse aus dem Bericht ziehen zu können, ist die Exaktheit der Angaben relevant. Durch Vertrauen in die Angaben können Entscheidungsfindungen erleichtert werden.

Unter Umständen müssen diese Prinzipien gegeneinander abgewägt werden. Mit jeder weiteren Erstellung eines PCFs sollten Wissenslücken reduziert und die Qualität gesteigert werden.

Einteilung in drei Scopes

Die Einteilung der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens erfolgt wie im GHG-Protocol eingeführt in drei Kategorien, die so genannten Scopes. Die Einheit mit der die Emissionen angegeben werden ist das Kohlenstoffdioxidequivalent (CO2e).

Scope 1 enthält alle direkten Emissionen, die ein Unternehmen durch dessen Produktion erzeugt.

Scope 2 Emissionen resultieren aus der Erzeugung bezogener Energie, wie bspw. Elektrizität und Wärme.

Scope 3 enthält alle indirekten Emissionen, die aus anderen Quellen im Up- und Downstream der Lieferkette stammen. Scope 3.1 beinhaltet bspw. gekaufte Güter und Dienstleistungen.

Bestimmung der Scope 3.1 Emissionen nach dem cradle-to-gate Prinzip

Das cradle-to-gate Prinzip beschreibt die Erfassung aller Emission die von der Förderung des Rohmaterials bis zum fertigen Produkt bei dem Unternehmen entstehen. In der Chemieindustrie herrscht ein komplexer Warenverkehr zwischen Unternehmen, weshalb der exakten Protokollierung des Scope 3.1, gekaufte Waren und Dienstleistungen, eine besondere Wichtigkeit zukommt. In dieser Scopekategorie wird alles dokumentiert, was dem Upstream der Lieferkette zuzuordnen ist und nicht in die anderen Upstream Scopes 3.2 bis 3.8 gehört.

Mögliche Beispiele für Scope 3.1 Aktivitäten:

  • Gewinnung von Rohstoffen
  • Landwirtschaftliche Tätigkeiten
  • Herstellungen, Produktionen und Verarbeitungen, die nicht dem Unternehmen zuzuschreiben sind
  • Behandlung vorgelagerter Abfälle
  • Landnutzungen
  • Transporte im Upstream der Lieferkette für die das Unternehmen nicht zahlt
  • Alle anderen Aktivitäten die vor dem Erwerb anfallen

Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Emission dieser Kategorie ist die Sammlung von Aktivitätsdaten mit passenden Emissionsfaktoren (EF) und die anschließende Multiplizierung zu einer Emissionseinheit.

Aktivitätsdaten

Die fürsorgliche Datenerhebung ist relevant, da sie die Basis für die Berichterstellung ist. Hierzu gibt der Leitfaden einen Schritt-für-Schritt Prozess, der von einer Verfügbarkeitsüberprüfung, über Datenvor- und -nachbereitungen bis zur Kategorisierung, Priorisierung und Datenbeschaffungsstrategien reicht.

Aktivitätsdaten, Daten, Zulieferer, Prioritisierung, Kategorisierung,
Source: TfS_PCF_guidelines_2022_English.pdf (Seite 17)

Für eine verbesserte Effizienz wird eine Einteilung von Aktivitätsdaten in produktbezogene und nicht-produktbezogene Produkte empfohlen. Bei großen Datensätzen wird ein Clustern in Unterkategorien empfohlen.

Bei der Analyse von Aktivitäten wird eine Priorisierung über die erzeugte Menge an Kohlenstoffdioxid empfohlen. Falls das nicht möglich ist kann auch der Preis herangezogen werden und die jeweiligen Aktivitäten danach sortiert werden, wovon TfS jedoch abrät. Der Leitfaden listet geprüfte Klassifizierungssysteme auf, welche für die Kartierung von Aktivitätsdaten und Emissionsfaktoren herangezogen werden können.

Emissionsfaktoren

Für eine realitätsnahe Bestimmung der erzeugten Emissionen ist die Verwendung von passenden Emissionsfaktoren essenziell. Für die richtige Auswahl gibt der Leitfaden den folgenden Schritt-für-Schritt Prozess.

Daten Verfügbarkeit Bearbeitung, mapping, EF Emissionsfaktor, Zulieferer, Datenbank, Strategie
Source: TfS_PCF_guidelines_2022_English.pdf (Seite 22)

Es sollten produktionsspezifische Emissionen eigens generiert werden. Wenn das nicht möglich ist, kann auf verschiedene geprüfte Datenquellen für Emissionsfaktoren zurückgegriffen werden. Im Leitfaden folgt eine detaillierte Übersicht mit Vor- und Nachteilen spezifischer Datenbanken.

Anschließend folgt die Multiplikation zu einer Emissionseinheit.

Aktivitätsdaten, Emissionsfaktoren, Scope 3.1, Emissionseinheit, Berechnung, Daten, Faktor
Source: TfS_PCF_guidelines_2022_English.pdf (Seite 16)

Berechnungsspezifikationen für die Erstellung eines PCFs

Der Leitfaden sieht eine Erstellung nach dem bereits beschriebenen cradle-to-gate Prinzip vor. Nachfolgenden ist die Abgrenzung zum cradle-to-grave Prinzip schematisch dargestellt.

cradle-to-gate cradle-to-grave, Scope 1. Scope 2, Scope 3, Upstream, Downstream
Source: TfS_PCF_guidelines_2022_English.pdf (Seite 39)

Schritt-für-Schritt Anleitung:

  1. Zieldefinition: Einheiten sollten festgelegt und relevante Aktivitäten und Prozesse identifiziert werde.
  2. Aktivitätsdaten innerhalb der definierten Systemgrenze sammeln.
  3. Standortspezifische Aktivitätsdaten und Emissionsfaktoren zu CO2e pro definierte Einheit umrechnen.
  4. Berechnete Emissionen summieren. Eine anschließende Erstellung von gewichteten Durchschnittswerten von verschiedenen Standorten kann die Kommunikation erleichtern.
  5. Dokumentieren und berichten.

Für die Berechnung eines PCF sollten die internen Primärdaten nicht älter als fünf Jahre alt sein, externe Sekundärdaten nicht älter als zehn Jahre. Ein PCF ist maximal fünf Jahre gültig. Es werden regelmäßige Neuberechnungen empfohlen, vor allem wenn die Abweichung größer als 20% wäre. Die Vollständigkeit sollte über 95% liegen, wobei eine Erreichung von mindestens 98% in allen Scopes empfohlen wird. Für Berechnungen bei Datenlücken können proximierte Daten von ähnlichen Produkten, wie bspw. von ähnlichen chemischen Produkte oder Stromerzeugungsdaten aus einem anderen Gebiet, übernommen und angepasst werden. Notfalls bleibt die Abschätzung, welche jedoch von Experten getroffen werden sollte.

 

Zusammenfassung und Bewertung

Der Leitfaden von Together for Sustainability schließt an das GHG Protocol und den ISO-Standards an und ergänzt sie. Es wird zu diesen Standards verwiesen, Grundlegendes zusammengefasst und aufbereitet. Schritt-für-Schritt Anleitungen erleichtern die Nachvollziehbarkeit und konkretisieren komplexe Aufgaben. Es werden nur geringfügig komplett neue Inhalte eingeführt, wie die CCU/CCS Thematik, aber das ist auch gut so. Das Ziel dieser Publikation ist es nicht Berichterstattungsspezifikationen auf den Kopf zu stellen, sondern Unternehmen bei Ihren Bemühungen zur Erreichung der Klimaneutralität zu unterstützen. Damit aktuelle Handreichungen existieren, in denen Unternehmen Antworten auf aktuelle Fragen finden, sind regelmäßige Veröffentlichungen wie diese notwendig.

 

Folgende weitere Tätigkeiten führen wir in diesem Umfeld gerne für Sie durch:

GALLEHR+PARTNER® ist seit 2007 der erfahrene Lotse für die Wirtschaft auf dem Weg zur CO₂-Neutralität. Zu dem Kundenstamm von GALLEHR+PARTNER® gehört eine Vielzahl national und international renommierter Unternehmen. Diese berät und unterstützen wir teilweise bis zur vollständigen eigenverantwortlichen Übernahme relevanter Prozesse inkl. bei Fragen rund um die Antragstellung zur Strompreiskompensation der deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt).